Berlin | Monat der Fotografie 29.09. – 04.12.2018

Das Wander Atelier präsentiert im Rahmen des EMOP Berlin

EUROPEAN MONTH OF PHOTOGRAPHY 

Quando la felicita non la vedi , cercala dentro“ 

NAPOLI 1999-2017

 analog Photographie von  Jeanne Fredac 

 

Via Antonio Labriola  © Jeanne Fredac, ADAGP, Paris, 2018

 Die Ausstellung umfasst eine fotografische Serie über Neapel, die 1999 einsetzt und verschiedene Aspekte im Herzen der Stadt untersucht. Die Reise führt durch das alte historische Zentrum zu den Gebäuden der 1960er Jahre, wie Le Vele, Kulisse des Films Gomorrha, bis hin zur Brutalismus-Architektur von Aldo Loris Rossi. Die Serie ist aber nicht begrenzt auf die Architektur. Sie lädt uns ein, den Körper und die Seele von Neapel zu entdecken: das Meer, die Fischmärkte und natürlich die Religion, die hier so ungewöhnlich zelebriert wird – eine Mischung aus heidnischen Riten und Katholizismus. Dabei folgt die Ausstellung der Veränderung der Stadt ebenso wie der Entwicklung der künstlerische Arbeit der Fotografin über zwanzig Jahre hinweg: von den klassischen Schwarzweißbildern bis zu den letzten Experimenten mit Filmempfindlichkeit und Beleuchtung. Begleitet werden die Fotografien von einem langen Text über die Stadt von Jeanne Fredac, eingeleitet von Erri de Luca. Die Serie umfasst hunderte Fotografien, vierzig werden in der Ausstellung gezeigt.

Pêcheurs de neige  © Jeanne Fredac, ADAGP, Paris, 2018

Die junge Frau sehnte sich nach einem Ort, in den sie gänzlich abtauchen könnte, einem Ort, der ihre Vergangenheit völlig wegspülen würde. Vielleicht kam das vom Herzschmerz der Jugend, von der Bewunderung für ein unauffindbares männliches Geschlecht. Sie spürte den Peitschenschlag, der das wilde Raubtier zum Sprung durch den Feuerring zwingt. Ihr wisst, die Tiere versengen sich dabei das Fell, und dieser Geruch lehrt sie Entwürdigung. Nach dem Sprung durch den Feuerring landete die junge Frau in Neapel.

Um sich auf einen gefährlichen Ort einzulassen, bedarf es Leidenschaft und Fieber. Ohne Malaria ist der Missionar kein Bewohner Afrikas. In der Stadt wird die junge Frau vom Fieber der Visionen befallen. Sie beschließt, sie festzuhalten und streift durch die schon so oft beschriebene Stadt. Sie ist ein Neuankömmling, wie eine Novizin, die zu Beginn hinter Klostermauern erschrickt. Die gekreuzigte Stadt löst sich langsam von den Nägeln, um sich ihr zu nähern.

Die Stadt liebt Neuankömmlinge. Sie offenbart sich denen, die noch mit halb ausgepackten Koffern dastehen. Die junge Frau geht jede Wegkreuzung mit blindem Vertrauen, gleichgültig dem eigenen Schicksal. Die Stadt nimmt sich so manches Geschöpfes an und offenbart sich ihm, während sie sich ewig vor den Einheimischen verbergen kann. Gleich einer entarteten Mutter, die die Stiefkinder, Streuner und unehelichen Kinder mehr als ihre eigenen liebt. So wurde die junge Frau von der Stadt erwählt, über sie zu berichten.

Die Zeilen und Fotogramme ihrer Darstellung zeugen von dem Privileg einer unerwarteten Offenbarung, aufgeteilt in weiße Räume und schwarze Farbe. Die junge Frau – mehr Augen als Hände, mehr Haare als Beine – schlüpft in Gassen, wie der Faden des Schneiders ins Nadelöhr, setzt einen Flicken auf und beißt den Faden mit den Zähnen ab. Ihr Passagierschein ist ihre Magerheit. Sie bremst den männlichen Appetit: Zuerst muss man ihr zu essen geben, denken sie hinter ihrem Rücken. Sie wischt mit einem Essigschwamm über die Gesichter der Orte und sieht sie, wie sie wirklich sind, wie ein Explosion der Sinne, etwas zwischen einem Kuss und einem Peitschenhieb. Ihr Zeugnis, ihre Text und ihre Fotografien, ist das gelungene Resultat eines Ausgleichs zwischen ihr und der Stadt. Zwischen ihnen fand sich, wie Junischnee, die seltene Vertrautheit des Zufalls, der Gegensätze und Missverständnisse.

Erri de Luca 

 

„QUANDO LA FELICITA NON LA VEDI, CERCALA DENTRO“ 

NAPOLI 1999-2017 

EUROPEAN MONTH OF PHOTOGRAPHY 

Wander Atelier

Falckensteinstraße 45

10997 Berlin – Kreuzberg

Mi 14h00–18h00
Do–Fr 12h00–18h00
Sa 11h00–15h00 

Öffentliche Verkehrsmittel 

U1 Schlesisches Tor

S3, S5,S7,S9 Warschauer Str

Eintritt frei